Ein (Hoffnungs-) Fall in Chachapoyas
Ein Albtraum beginnt…
1992: ein Kommando der Terrorbewegung MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) sucht Luya heim. Eine Frau bezahlt diesen Einmarsch mit dem Leben. In der Folge schlägt die Armee zurück. Wahllos werden Menschen verhaftet, die mit diesem Überfall oder mit Menschen, die möglicherweise zum MRTA-Kommando gehört haben, in irgendeiner Beziehung standen. Dabei machte es keinen Unterschied, ob jemand unter Androhung von Waffengewalt seinen Auto dem Kommando überlassen, einen Verletzten Terroristen behandeln, etwas zu Essen geben musste, oder mit jemandem verwandt war, oder in der Vergangenheit mit Leuten zu tun hatten, die mit den Terroristen möglicherweise Kontakt pflegten. Grund der Verhaftung: Unterstützung des Terrorismus.
Schreckliche Aussichten…
In der damals herrschenden Antiterrorgesetzgebung bedeutete dies: Transport ins Hochsicherheitsgefängnis PICSI von Chiclayo (500km von Chachapoyas entfernt); verlängerte Untersuchungshaft ohne Möglichkeit mit Anwälten oder Angehörigen in Kontakt zu gelangen; warten auf einen Prozess, der vor einem anonymen Gericht durchgeführt wird, und der Schuldige produzieren musste. Das „mildeste“ Urteil für Mithilfe zum Terrorismus lautete auf 20 Jahre Gefängnis.
Traumatische Erlebnisse…
Im Nachhinein erfuhren wir, was es hiess in Chiclayo im Gefängnis PICSI als Terrorist eingesperrt zu sein: „Wir waren diejenigen, die von allen am meisten verachtet und am schlechtesten behandelt wurden. Wir bekamen nur noch das zu essen, was die anderen übriggelassen hatten. Oftmals hiess das, dass uns eine Wassersuppe blieb, und das einzige „Fleisch“ darin von Ratten oder von Fliegen stammte. Medizinische Versorgung gab es kaum. Viele litten an Tuberkulose – die Ansteckungsgefahr für uns war sehr hoch.“ Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass PICSI für 2000 Insassen gerechnet war, und in der damaligen Zeit etwa 5000 fassen musste.
37 Personen aus der Region Chachapoyas wurden verhaftet, andere konnten sich gerade noch der Verhaftung entziehen – unter ihnen auch Pfarrer Isidro Gonzales, der Leiter der ECRA (Christliche Schule für Erwachsene der ländlichen Gebiete) und die Eltern eines Verhafteten.
Hoffnung keimt auf
Diese Tatsache rüttelte die Kirche in Chachapoyas auf. Bisher war die Gegend von Terrorakten weitgehend verschont gewesen. Nun wurde an der Diözesanen Generalversammlung von 1993 die Diözesane Kommission zum Sozialen Engagement (CDAS) gegründet. Das primäre Ziel bestand darin, die Freilassung und Freisprechung der Unschuldigen zu erreichen. Daneben gehörte auch die Bewusstseinsbildung für die Rechte der Menschen zu ihren Aufgaben.
Wir erinnern uns an mehrere Reisen nach Chiclayo und Lima. Gespräche mit verschiedenen Richtern, Gerichtspräsidenten, Gefängnisbehörden in Chiclayo, Kongressabgeordneten, Menschenrechtsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene und Medienschaffenden gehörten dazu.
Wunder geschehen auch heute noch!
Doch dann kam er, der 1. November 2004. Wir erinnern uns noch, als ob es letzte Woche passiert wäre: Das Gericht verkündete die Unschuld derjenigen, für die wir uns eingesetzt hatten! Danach durften wir die Gefangenen im Gefängnis besuchen – kurz vor ihrer Freilassung! Schliesslich der Moment, auf den wir rund zwei Jahre hingearbeitet hatten: mit leuchtenden Augen trafen sich Angehörige und Freigelassene – nach zwei Jahren! Es ist schwer zu beschreiben, was in ihnen, in uns allen in diesen Momenten vorgegangen ist!
Die Heimreise traten wir euphorisch an. Besonders beeindruckte uns ein Halt unterwegs von Chiclayo nach Pedro Ruiz: Fast andächtig gingen die Freigelassenen zu einem kleinen Wasserbach und genossen es, endlich wieder einmal frisches sauberes Wasser zu sehen, zu spüren und zu trinken! Dann folgte nahe bei Pedro Ruiz ein zweites, fast noch emotionaleres Wiedersehen: Die im Wald versteckten Eltern und ihr endlich befreiter Sohn trafen sich wieder – nach zwei Jahren!
Zeit und tätige Hilfe heilen viele Wunden
Die Zeit im Gefängnis wirkte noch lange nach. Gesundheitliche und psychische Probleme liessen sich nicht einfach so schnell beseitigen. Und kam hinzu, dass das Umfeld der Inhaftierten diesen oftmals mit grosser Hartherzigkeit begegnete. Erneut mussten sich Rechtsanwälte einsetzen, damit die Unschuldigen nicht nochmals mit dem Verlust ihrer Arbeit bestraft wurden, oder diese wieder erhielten.
Dankbarkeit überschreitet den Atlantik
Das Engagement, der gemeinsame Einsatz von vielen Menschen über Grenzen hinweg hatte zum Erfolg geführt. Mit an diesem Erfolg beteiligt war die Alianza. Einerseits arbeiteten Maid und Pablo in der CDAS mit. Andererseits unterstützte die Alianza die Arbeit der Kommission finanziell. Die Alianza – Menschen, die in Dunningen, Seedorf und Lackendorf bereit waren, zu teilen.
Es gibt sie immer wieder, die Hoffnungsgeschichten. Wir wünschen der Alianza, dass sie noch viele weitere ermöglichen und schreiben darf!
Maid und Pablo Schneider Mathis